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Pressemitteilung

Neue Erkenntnisse zu Zelltypen und Interaktionen bei der Multiplen Sklerose

Hoffnung auf neue therapeutische Ansätze für eine Verlangsamung des Krankheitsverlaufs

Die Abbildung demonstriert den wissenschaftlichen Ansatz der Studie. Links dargestellt ist die Unterscheidung zwischen normalem Gewebe (linke Hälfte in Rottönen) und MS-Läsion (rechte Hälfte in Schwarztönen) und rechts in unterschiedlichen Farben dargestellt sind die einzelnen Gewebebereiche wie Rand (rot) und Zentrum (violett) der Läsion basierend auf bioinformatischen Analysen.

Die Abbildung zeigt den wissenschaftlichen Ansatz mit schematischer Darstellung der Transkriptom-Techniken und der Verteilung der einzelnen Zelltypen basierend auf der Genexpression (links oben) sowie der Zuordnung von Zelltypen zu MS-Läsionsbereichen basierend auf bioinformatischen Analysen (links unten). Wichtige Ergebnisse der Studie waren die Charakterisierung von zilientragenden Astrozyten innerhalb von MS-Läsionen (rechts oben) und die Vorhersage von Zell-Zell-Kommunikationsereignissen wie zwischen HMBG1 auf Astrozyten und CD163 auf myeloiden Zellen mithilfe von komplexen computergestützten Analysen (rechts unten).

Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Professor Dr. Lucas Schirmer und Professor Dr. Julio Saez-Rodriguez von den Medizinischen Fakultäten der Universität Heidelberg, in Mannheim und Heidelberg, hat die Zellzusammensetzung in sogenannten subkortikalen Läsionen, Gewebeschädigungen tiefer Hirnstrukturen unterschiedlicher Stadien der Multiplen Sklerose (MS) untersucht und deren Kommunikation erforscht. Dabei haben sie tiefe Einblicke in die molekularen Mechanismen gewonnen, die das Fortschreiten dieser chronischen Erkrankung beeinflussen. Die Arbeit ist in der renommierten Fachzeitschrift Nature Neuroscience veröffentlicht*.

„Unsere Ergebnisse liefern wertvolle Daten über die zelluläre Zusammensetzung und die Wechselwirkungen zwischen diesen Zellen in bestimmten Gewebenischen, die einen Einfluss auf das Fortschreiten der Läsion bei der MS haben“, erklärt Professor Schirmer und ergänzt: „Mit diesem Wissen eröffnen sich neue therapeutische Ansätze, mit denen wir den Krankheitsverlauf verlangsamen können“.

Die Multiple Sklerose ist eine entzündliche, fortschreitende Erkrankung des zentralen Nervensystems, bei der das Immunsystem das Nervengewebe angreift und bleibende Schäden verursacht. Dabei bilden sich multiple Läsionen in unterschiedlichen Regionen des Nervensystems, die zunächst entzündlich sind und im Laufe der Zeit in chronische, nicht mehr entzündliche Formen übergehen. Charakteristisch ist ein sogenanntes chronisch-aktives Zwischenstadium, in dem die Läsionen von einem entzündeten Rand umgeben sind, in dem sich oft Eisenablagerungen finden, die auf ein Fehlen von Reparaturmechanismen hindeuten.

Um die Zellen und Signalwege in diesen Bereichen der Gewebeschädigung genauer zu kartieren, setzte das Forscherteam modernste räumliche und Einzelzellkern-Transkriptom-Techniken ein, begleitet von komplexen bioinformatischen Analysen. Dies ermöglichte ihnen, Zelltypen und deren Signalwege in subkortikalen MS-Geweben und Kontrollgeweben zu lokalisieren und zu analysieren.

Die Forschenden konnten beispielsweise Gewebebereiche wie die Umgebung von Blutgefäßen, die mit der Einwanderung von Immunzellen in Verbindung stehen, hochauflösend untersuchen. Im Fokus standen zudem der entzündete Rand und das Zentrum von Läsionen, in dem die Wissenschaftler einen speziellen zilientragenden, aber bisher nicht näher charakterisierten Astrozyten-Typ identifizieren konnten.

Ein besonderer Fokus lag auf dem entzündeten Rand chronisch-aktiver Läsionen, wo das Team Wechselwirkungen zwischen myeloiden, endothelialen und glialen Zelltypen untersuchte. Diese Interaktionen tragen zur Entstehung und zum Fortschreiten der Läsionen bei und bieten Ansätze, wie Kommunikationsprozesse zwischen den Zellen gezielt beeinflusst werden könnten.

„Die Forschung zeigt eindrucksvoll, wie unterschiedlich die Zellumgebungen in verschiedenen Stadien der MS-Läsionen sind“, erklären die Erstautoren der Studie Celia Lerma Martin und Pau Badia i Mompel.

„Das tiefere Verständnis dieser Interaktionen wird uns helfen, gezielte Therapien zu entwickeln, die auf spezifische Zelltypen und ihre Kommunikation in bestimmten Gewebenischen abgestimmt sind“, ergänzt Professor Schirmer. Für die Analyse der großen Datensätze waren rechenintensive Methoden erforderlich. „Die Entwicklung und Anwendung komplexer bioinformatischer Skripte war entscheidend, um die großen Transkriptom-Datensätze integrieren und analysieren zu können“, betont Professor Saez-Rodriguez.

Die Arbeit wurde in der Sektion Neuroimmunologie der Neurologischen Klinik der UMM unter der Leitung von Prof. Schirmer an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg durchgeführt, in enger Zusammenarbeit mit dem Institute for Computational Biomedicine unter der Leitung von Prof. Saez-Rodriguez an der Medizinischen Fakultät Heidelberg. Es bestanden außerdem Kooperationen mit weiteren Arbeitsgruppen in Wien, Heidelberg und Mannheim.

Originalpublikation
Lerma-Martin, C., Badia-i-Mompel, P., Ramirez Flores, R.O. et al.
Cell type mapping reveals tissue niches and interactions in subcortical multiple sclerosis lesions.
Nat. Neurosci. (2024).
DOI: 10.1038/s41593-024-01796-z

Wissenschaftlicher Ansprechpartner
Univ.-Prof. Dr. med. Lucas Schirmer
Heisenberg-Professur für Translationale Neurobiologie
Leitung Sektion Neuroimmunologie, Neurologische Klinik, Universitätsmedizin Mannheim
Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg
Theodor-Kutzer-Ufer 1-3 68167 Mannheim
lucas.schirmer@medma.uni-heidelberg.de